Linda Scheckel 

 

Mein Ausgangspunkt in der bildnerischen Arbeit ist immer ein spontaner Impuls. Dieser ergreift und trägt mich, bevor der ordnende Gedanke Einwände erheben kann: ein Geruch, eine Bewegung, ein Fragment visueller, akustischer oder anderer Art - ich will diesem subjektiv wahrgenommenen Teilstück der Welt stattgeben und mich, bevor die „Wenns“ und  Abers“ kommen, selbst überlisten!

Meine Arbeitsweise ist elementar. Tätigkeiten sind: finden, aufnehmen, verwerfen, ab- und einreißen, aufbringen, weglassen, kombinieren, schlagen, wischen und streichen, nachfühlen, tastend zeichnen, schütten, schneiden, stapeln, neu zusammen setzen.

Mein bevorzugtes Material ist Papier jeder Art. Benutzte Papiere (aus häuslichen und anderen Umfeldern) und andere gefundene und durch viele Hände gegangene Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs haben mich inspiriert seit ich denken kann.

Ich arbeite mit den Dingen, die mir zufallen – und dies ist kein Zufall!

 

 

Scheckels Erdträume

 

Der zeitgenössischen Kunst ist das Vertiefen abhanden gekommen, die Zeit, der innere Raum. Um uns eine Wüste von Bildern: eine Fata Morgana. Nur gelegentlich finden sich in dem belanglosen Einerlei Oasen. Orte, die Labsal bieten, an denen man verweilen möchte. Diese Orte entstehen durch die Kunst von Linda Scheckel.

 

Es stellt sich ein Wohlgefühl ein, tiefe Befriedigung, wenn wir die hauchzarten Federn, fetten Ölkreiden, bitumengetränkten Pappen betrachten. Wir erleben kraftvolle Bewegung und Materialsicherheit. Damit träumen wir uns in weite innere Räume.

 

Wenn der physische Raum zur Entfaltung des Eigenen fehlt, was Frauen in vielen Jahrhunderten erlebt haben, dann lassen sich innere Dimensionen erweitern. Linda Scheckels Räume regen dazu an, die eigenen, unbewußten Dimensionen zu erkunden. A Room for One’s Own forderte 1929 die englische Schriftstellerin Virginia Woolf. Die Metapher hat sich bewährt. Sie bildet eine Kernaussage dieses Œuvres.

 

Der immateriellen Phantasie steht die physische Präsenz der Werke gegenüber. Aus der Spannung zwischen diesen beiden Polen erwächst ihr Reiz. Linda Scheckels Bilder und Objekte sind pur. Sie entstehen aus Papier, Pappe, besten Pigmenten, Teer, Kohle, Gips, Folie, Tuch. Damit scheint diese Kunst aus der Zeit gefallen. Nein, das sind keine sinnentleerten „Benutzeroberflächen“. Die Medien werden durchdrungen und gespürt. Das Händische ist allgegenwärtig, die Lust am Tasten, Berühren, Kneten, Wirken und Werken. Von dort führt der Weg unmittelbar zum träumenden Subjekt.

 

Dr. Sibylle Ehringhaus

Berlin, September 2012

l.scheckel@berlin.de 

© Linda Scheckel